Karneval 2021 digital


Zoom Video Carnival

Karneval 2021 digital - Jeck im Home Office

 

Dieter Feige, February 2021

 

„Et es wie et es“

Helau! 11. Februar 2021, Weiberfastnacht, Auftakt des Höhepunkts der 5. Rheinischen Jahreszeit, leider 2021 im Lockdown. Statt Maskenball, Schunkeln und Bützen allgemeine FFP-Maskenpflicht mit Abstandswahrung. Doch Not macht erfinderisch, so schon Hoppeditz Erwachen am 11.11. 2020 in Düsseldorf im Livestream. Beginn ab 11:11 Uhr, Motto: „Spaß an der Freud.“ Viel braucht man nicht für einen zünftigen Fastelovend. Narrenkappe auf dem Kopf, Luftballons und Konfetti, Frikadellen, Berliner und noch Quarkbällchen fürs leibliche Wohl, dazu Altbier. Zielsetzung dieses Austauschs war, den Nährwert und Nutzen des rheinischen Karnevals für das menschliche Leben herauszufinden, dem tieferen Sinn der 5. Jahreszeit auf die Spur zu kommen. Purer Blödsinn der Karneval oder eine andere Art von Incentive, um Motivation, Loyalität und Einsatzwillen der Menschen zu fördern und zu festigen. Und ein Wir-Gefühl zu initiieren, nur im Miteinander die Zukunft gestalten zu können. Aber auch angesichts kommender schwerer Zeiten, kräftig Mut zu machen und Anreize zu schaffen, die Durststrecke zu überstehen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

 

„Et hätt noch immer jot jejange“

Rheinischer Karneval entspringt der rheinischen Mentalität, die zu kopieren meist nicht gelingt, sodass man „Imi“ bleibt, heißt imitierter Rheinländer. Bessere Integrationsmöglichkeiten hat man indes, kennt man das Rheinische Grundgesetz bzw. die Rheinischen 11 Gebote. Sie drücken in formelhaften Lebensweisheiten kurz und bündig die stoische Gelassenheit der Rheinländer aus. So heißt das erste Gebot schlicht „Et es wie et es“. Also, sich nichts vormachen, die Tatsachen anerkennen. Gefolgt vom 2. Gebot „Et kütt wie et kütt.“ Veränderungen akzeptieren und damit umgehen. Kein Fatalismus, sondern praktizierte Coolness im Sinne von think positive. Smileys hat sicher ein Rheinländer erfunden. Untermauert in puncto Zuversicht werden die beiden Gebote durch das dritte Gebot. „Et hätt noch immer jot jejange.“ Bleib gelassen, es gibt immer Auswege, nichts ist alternativlos. Zu diesen Einsichten passen auch die Gebote vier und fünf. „Wat fott es es fott“. Verlustabschreibung ohne Trauerarbeit, und „Et bliev nix wie et wor.“ Offen sein für neue Entwicklungen. Dieser auf die Zukunft blickende unbeschwerte Frohsinn ist dem Rheinländer in die Wiege gelegt. „Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet“, das sechste Gebot, zeugt vom skeptischen Pragmatismus der Rheinländer, nicht jede Modetorheit mitzumachen, aber auch Fehlentwicklungen abzutun. Im Fall der Fälle, dass trotzdem etwas schief geht, kontert der Rheinländer humorvoll gelassen mit dem siebten Gebot „Wat wellste maache.“ Und in dieser gesunden Einstellung, den Humor nicht zu verlieren, lädt er vor der Ursachenforschung mit dem zehnten Gebot ein „Drinkste ene met. “Nach diesen Geboten lebt der Rheinländer jahrein, jahraus in den vier Jahreszeiten, denen er aber eine fünfte Jahreszeit hinzufügt, den närrischen Ausnahmezustand. In dieser Session sind nur zwei Gebote Primärtugenden, das zehnte Gebot „Drinkste ene met.“, und das elfte Gebot „Do laachste dich kapott.“

 

„Wat fott es es fott“

Den jahreszeitlichen Ursprung hat der Karneval seit christlicher Zeit als Narrenfest vor der beginnenden vierzigtägigen Fastenzeit, ein opulentes Lebewohl den fleischlichen Genüssen. Vor dem Verzicht, dem christlichen Lockdown als Schlankheitskur vor dem Osterfest, noch einmal richtig feiern. Psychologisch betrachtet bewirkten diese drei tollen Tage einen mächtigen Motivationsschub, die karge Zeit zu überstehen und die Vorfreude auf das Osterlamm auf Flamme zu halten. Die Devise war, den Menschen der damaligen Zeit mit der Aussicht auf bessere Tage schon angesichts arg geschwundener Vorräte in Kammern und Speichern ein lohnendes Ziel zu geben, um die Zuversicht zu stärken. Aber auch die Einsicht zu vermitteln, dass kräftiges Abspecken dem Körper bekommt.

 

„Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet“

Eine weitere Facette des rheinischen Karnevals ist die Narretei, einmal jeck sein dürfen, um den lange gestauten Unmut zu ventilieren, richtig Dampf abzulassen, ohne negative Folgen zu befürchten. Aber auch aus seiner Haut schlüpfen zu können, mit einer Verkleidung eine andere Rolle spielen. Pirat, Cowboy, Astronaut die Herren, Engel oder Königin der Nacht die Damen zum Beispiel. Der den Karneval ausrufende Hoppeditz besitzt die Lizenz der Narrenfreiheit, wie sie vormals die Hofnarren genossen. Ihr Privileg war es, den Mächtigen die Meinung zu geigen, die dadurch wertvolle Einblicke in Schieflagen oder Problemzonen bekamen, meist die Untertanen betreffend. Diese Tradition griffen die rheinischen Jecken auf und wetterten Fastelovend in der Bütt kräftig gegen ihre französischen Besatzer. Die Bütt war symbolisch sozusagen exterritorial wie ein Konsulat. Straffreiheit garantiert. Nach Waterloo eroberten die Preußen das Rheinland und trübten mächtig den rheinischen Frohsinn. Preußisch Grau und Kommissbrot? Nit met ons. An den Pranger stellen war zudem närrische Pflicht der Rosenmontagsumzüge, bis heute. Der Rollenwechsel in einer Kostümierung bietet die Chance und den Charme, sich an drei tollen Tagen in einem anderen Charakter zu versuchen. So eine Art Assessment ohne Folgen für die eigene berufliche Laufbahn.

 

„Et kütt wie et kütt“

Nun fiel auch die Wahl des Bundesparteivorsitzenden der CDU in die 5. Jahreszeit. Ein Dreigestirn war angetreten. Prinz, Bauer und Jungfrau. Klar, dass der bekennende Rheinländer und Karnevalist aus Aachen, Armin Laschet, zum Prinzen gekürt wurde und der Sauerländer Friedrich Merz Jungfrau blieb. Der ungebrochene rheinische Optimismus wird in einem Düsseldorfer Karnevalsschlager aus dem Jahre 1948 deutlich, als die Stadt in Trümmern lag. „Die Nas.“ - „Wir lassen uns nicht unterkriegen, wenn uns das Dach auch auf die Nase fällt. Die Balken können brechen oder biegen, aber die Nas, die Nas, die Nas, die Nas, die hält.“ Nicht unterkriegen ließ sich auch Willi Busch, Erfinder des Killepitsch, des weltweit geschätzten Kräuterlikörs aus der Düsseldorfer Altstadt. Der Name entstand im Luftschutzbunker. Als rheinisches Gelübde. Sinngemäß: Wenn wir hier heil herauskommen, sie uns nicht kille, dann braue ich einen Schnaps, wonach man sich die Zunge lecken kann. Und den pitschen wir dann. Also, nicht unterkriegen lassen. „Et hätt noch immer jot jejange.“ Helau!

Also, nicht unterkriegen lassen. „Et hätt noch immer jot jejange.“ Helau!

 

 

 

 

 

 

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