Visionär


Schwebebahn in Ostafrika

Visionär Eugen Langen - Vom Kölner Würfelzucker zur Schwebebahn

 

Dieter Feige, März 2024

 

Eine bahnbrechende Vision blieb leider auf der Strecke

 

Visionären gehört die Zukunft, da sie markant Zukunft nachhaltig gestalten, wie auch der Erfinder der berühmten Wuppertaler Schwebebahn, der Ingenieur und Pionier Eugen Langen. Bereits zuvor hatte er als passionierter Konstrukteur die erste Motorenfabrik der Welt N.A. Otto & Cie. gegründet, wo er mit Nicolaus Otto den Viertaktmotor zur Betriebsreife entwickelte. In der späteren Deutz AG wirkten Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach als Mechaniker in der Produktion mit. Nun erforderte aber die topographische Lage des engen Wuppertals eine neuartige, flächensparende Lösung, die prosperierenden Städte Barmen, Elberfeld, Ronsdorf, Cronenberg und Vohwinkel, ab 1929 Wuppertal, mit einer verkehrsrechtlichen Eisenbahn zu verbinden. Seine dann umgesetzte Idee war eine Novität, eine

Schwebebahn, die den freien Raum über dem Fluss nutzte. Bevor sie 1901 in Betrieb ging, begeisterte diese verkehrstechnische Meisterlösung auf einer Probefahrt Kaiser Wilhelm II. Nun hatte Langen auch die kühne Idee, in Ostafrika anstelle von Schmalspurbahnen eine Schwebebahn in der deutschen Kolonie (heute Tansania) bauen zu lassen. Dort mussten für die Plantagenwirtschaft in kürzester Zeit geeignete Transportmöglichkeiten zu den Seehäfen geschaffen werden. Von Vorteil waren wegen der Errichtung von Stützpfeilern geringere Baukosten und vor allem weitaus weniger Arbeitskräfte, an denen es vor Ort mangelte. Außerdem ging der Bau im unwegsamen Gelände wesentlich schneller vonstatten, da aufwendige Arbeiten für das Gleisbett mit Unterbau entfielen. Ein Topargument, da der Bahnbau in den deutschen Kolonien stark im Verzug war. Da Langen, gut mit Banken und Unternehmen vernetzt, auch in den federführenden Kolonialorganisationen stark präsent war, reifte der Plan zu einer Teststrecke bei der Deutz AG. Als Langen plötzlich an einer Fischvergiftung starb, übernahm sein Sohn Gottlieb von Langen das Projekt. Zwar versagte beim ersten Probelauf die Elektrizität. Doch diese Vorführpanne tat dem Plan keinen Abbruch. Projektiert wurde 1896 eine rund 650 Kilometer lange Strecke von Morogoro nach Taboro als Anschluss an eine bis dahin führende Schmalspurbahn. Auch eine zweite 70-Kilometer-Strecke der Tropenbahn von Daressalam nach Bagamoyo sollte in Angriff genommen werden. Im kaiserlichen Berlin war man begeistert, den Briten und Franzosen eine Lektion in Sachen „Made in Germany“ zu erteilen. Doch wie das Schicksal es so will. In der Reichsregierung wehte plötzlich ein anderer Wind, die Finanzierung wurde gestoppt, sodass 1899 alle Hoffnungen begraben werden mussten. Es blieb beim Embryo. Gemunkelt wurde, die Schmal-spurlobby und die Stahlschienenindustrie hätten sich durchgesetzt.

 

Als tragfähige Utopie seinerzeit in Ostafrika realisiert, besäße die Urwaldbahn Modellcharakter. Zum Beispiel für den Tren Maya in Mexiko, der ab 2023 auf 1.525 km Trasse rund drei Mio. Touristen durch das Yukatan der Mayas befördern soll. Vor Baubeginn 2018 von einem Prozent der Bevölkerung befürwortet, wurde das ehrgeizige Projekt mit 7,4 Mrd. USD veranschlagt. Die Kosten sollten durch Einnahmen refinanziert werden. Die Schäden indes sind enorm. 6.600 Hektar Urwald mit 10 Mio. Bäumen wurden gerodet, in das Grundwasser führende unterirdische poröse Höhlensystem, das durch den Druck zerstört würde, drang Zement ein, Landflächen wurden enteignet, die indigene Bevölkerung zwangsumgesiedelt, Teilstrecken unter Militärschutz gebaut. Eine Schwebebahn hätte umweltschonend und nachhaltig die Kosten minimiert, die Böden nicht ruiniert, das einmalige Ökosystem geschont, die Menschen nicht aufgebracht und vertrieben. Das wäre auch im Sinne der Maya gewesen, die ihre Siedlungen im Regenwald aufgaben, weil Urbanität nicht im Einklang mit der ursprünglichen Natur stand.

 

Eugen Langen reiht sich auch als Erfinder des industriell gefertigten, erschwinglichen Würfelzuckers, der den Zuckerrübenanbau rund um Köln förderte, in das Walhalla deutscher Visionäre ein, wie Daimler, Benz, Bosch, Krupp und Siemens. Mit ihren revolutionären Erfindungen schufen sie neuartige Erzeugnisse auf höherer Technologiestufe, gründeten Industriegiganten globalen Ausmaßes mit hoher Wirtschaftskraft, sorgten so für Beschäftigung und Wohlstand. Fortschritte im Sinne kultureller Evolution. Diese damals gegen Widerstände geleisteten kreativen und wertschöpfenden Investitionen in die nächste Zukunft, dieser beherzte Spirit, sollten uns auch heutzutage unternehmerischer Ansporn sein, engagiert und scheuklappenfrei richtungsweisende Innovationen entgegen allen Hemmnissen in die Zukunft zu befördern, bevor es andere tun.

 

 

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